Christiane John

Silke Ramelow,

September 2018

 

2014 wurde das sogenannte Vanta Black erfunden. Vanta steht für Vertically Aligned Nano Tube Array (senkrecht angeordnetes Nanoröhren-Raster) und ist bekannt als das schwärzeste Schwarz der Welt. Es absorbiert über 99,9% des einfallenden Lichts; die Betrachter schauen ins Nichts. Einmal fiel ein Besucher in ein mit Vanta Black ausgemaltes Loch im Fußboden. Es war nicht zu erkennen, ob das Schwarz auf den Boden gemalt war, oder ob es ein echtes Loch im Boden ist. Wirklichkeit und Täuschung sind nicht voneinander zu unterscheiden.

 

Christiane John arbeitet mit einer besonderen Mischung aus Ultramarin und Van Dyke Braun. Es entsteht ein Dunkel, das im Gegensatz zum Vanta Schwarz vielleicht das lichteste Dunkel der Welt genannt werden kann. Es hat die Kraft, andere Farben zu heben und zu erleuchten, wie in ihren Mondbildern. Die Mondbilder sind Landschaften, oder besser Himmelschaften. In einem Wechsel zwischen Hell und Dunkel verbergen sich Farben, die wir nicht sehen können in der Nacht. Nur manchmal brechen ein Rot oder ein Rosa hervor, die aber gleich wieder zu verschwinden drohen.

 

In ihren irdischen Landschaften dominieren Brauntöne, Erdiges. Manche von Ihnen werden lebendig durch Grün, lichtes Blau und kleines Weiß. Andere verharren, wirken seltsam starr und wollen zum Dunkel. In den hellen Landschaften tobt und bewegt es sich. Hier will das Blau des Himmels die Bäume aufsaugen; die Wurzeln sind kaum noch mit dem Boden verhaftet und schießen geradezu nach oben. Dort wird die Bildmitte wie durch eine Windhose durcheinandergewirbelt. Der symmetrische Bildaufbau kann den Sturm kaum aufhalten. Nur die kleinen Blüten und Ornamente binden das Bild für das Auge, für den Augenblick zusammen.

 

Nicht Täuschung ist Motiv von Christiane Johns himmlischen und irdischen Landschaften. Es ist vielmehr die Annäherung an eine Wahrnehmung, die sich sogleich in den unendlichen Möglichkeiten des Seins wieder verflüchtigt. Die Aneignung, die nur in Farbe sich verwirklicht und eröffnet.

 

Beim Betrachten kommt mir der Gedanke, dass sich die Farbe hier wohl das Motiv der Landschaften ausgesucht haben muss. Es hätte auch etwas Anderes sein können. Ein Nachtbild kann auch zwei Monde haben, oder keinen. Das Motiv - so scheint es - erzählt eine eigene Geschichte, die Farbe eine andere. Im Moment des Betrachtens vereinen sie sich ... vielleicht. Kleine ornamentartige oder blütenförmige Miniaturen liegen mal hier mal da und lassen ein Netz oder eine Struktur erahnen. Etwas Verbindendes

 

Christiane John arbeitet an einem alten Thema, der Landschaft. Nicht die Suche nach dem Neuen, dem noch nie dagewesenen treibt sie. Sie will nicht den Unterschied, die Distinktion. Sie taucht mit all ihrem malerischen Können noch ein Stückchen tiefer in die unbestimmten Weiten zwischen Leinwand und Farbe ein. Was sie hält, ist die Oberfläche, was sie sucht ist der kurze Moment, in dem Farbe und Wahrnehmung zusammenfallen. Nicht um Täuschung geht es hier, sondern die Annäherung an das Unsichtbare im Sichtbaren, an die Wirklichkeit im Wirklichen.